Lukes Gesichtsausdruck blieb überraschend neutral, als er die bestellten Chili-Frites vor mir auf den Tisch stellte.
Normalerweise bekamen alle Stammkunden, zu denen ich mich mittlerweile auch zählte, kurze, sarkastische, aber durchaus gut gemeinte Belehrungen über Kalorienanzahl und fehlenden Nährwert der soeben servierten Gerichte, quasi als kostenlose Beilage, obendrauf. Diesmal aber brummelte Luke sogar etwas vor sich hin, was glatt als „Guten Appetit“ durchgehen konnte, wandte sich ab und nahm wieder seinen gewohnten Platz hinter dem Tresen ein.
Einen Tisch weiter nahm Babette diesen unerhörten Vorgang genauso staunend wie ich zur Kenntnis, nur dass dabei ihr Mund offener stand, als die Tür zu Al‘s Pancake World am Eat-To-The-Beat-Abend.
„Luke, Schätzchen“, zerschnitt ihre Reibeisenstimme die Stille im Raum, „ist mit Dir und Lorelei alles in Ordnung? Oder fühlst Du dich irgendwie nicht wohl?“
„Alles in Ordnung, Babette!“ erwiderte Luke und rückte ein paar Kaffeetassen hin und her.
Babette zog die Augenbrauen hoch und warf mir einen vielsagenden Blick zu. Ich zuckte mit den Schultern und begann zu essen. Die „fettigen Finger des Teufels“, wie sie meine Frau zu nennen pflegte, schmeckten wie immer hervorragend.
Während ich noch überlegte, ob ich eine zweite Tasse Kaffee riskieren oder lieber meinem Magen eine Malzmilch gönnen sollte, fiel mein Blick auf die Straße. Dort redete Taylor aufgeregt auf Kirk ein und gestikulierte wild mit seinen Armen. Kirk ließ Taylors Redeschwall augenscheinlich stoisch an sich abprallen und schüttelte lediglich dann und wann den Kopf. Durch die Glasscheibe konnte ich nicht hören, worum es bei den beiden ging, aber es war offensichtlich, dass hier der Grund für Lukes gute Laune zu suchen war.
Da Babette mit dem Gesicht zum Tresen saß und sie außerdem in ihr Strickzeug vertieft war, war ihr der aufgeregte Disput vor dem Café entgangen. Als Luke aber plötzlich begann, leise vor sich hin zu lachen, schreckte sie auf:
„Jessas Gott, Luke!“, schrie Babette. „Nun rück schon damit raus. Ist es was Ernstes?“
„Goldmünzen“, antwortete Luke und sein Lachen zuckte wie kleine elektrische Stöße durch seinen Körper. Er wies mit dem Kinn auf Kirk, der noch immer mit verschränkten Armen auf der Straße vor Taylor stand. „Taylor hat Kirk mit einer Wünschelrute zum Goldsuchen geschickt, um ihn mal aus den Füßen zu haben. Irgendjemand hat Kirk aber gesteckt, dass man mit Wünschelruten höchstens Wasser finden kann. Nun ist Kirk sauer auf Taylor und belegt ihn mit mehr Beschlag als je zuvor. Und das hält Taylor davon ab, seine Nase in meine Angelegenheiten zu stecken“.
„Herrje, du kannst ja richtig reden, wenn Du willst“ ‚kommentierte Babette Lukes Erklärungen. „Und ich dachte schon, mein Morey wäre einfach gestrickt“, beendete Sie ihre Überlegungen. Ihre Nadeln begannen wieder zu klicken.
In aufgeräumter Stimmung beobachtete Luke weiterhin das Geschehen auf der Straße. Dann wandte er sich plötzlich an mich:
„Darf es noch eine Malzmilch sein? Aufs Haus natürlich“.
„Gerne“,erwiderte ich. „Wie komme ich zu dieser Ehre?“
Luke grinste unergründlich und servierte das Getränk. „Sagen wir mal so: die fettigen Hände des Teufels müssen dann und wann mal geschmiert werden, damit sie nicht so fest zupacken“.
Ich blickte auf meinen fast leeren Teller. „Sie meinen?“
„Er redet von Taylor, Schätzchen“, mischte sich Babette ein. „Taylor ist sein Teufel und du hast ihn gerettet. Herrje, das kapiere selbst ich!“
Ich blickte zu Luke, der abwiegelte: „Keine große Sache. Patty hat mir gesteckt, dass sie es waren, der Kirk vom Goldsuchen abgebracht hat“. Er begann den Tresen zu wischen.
„Und die fettigen Hände des Teufels?“ fragte ich.
„Lane!“ antwortete Luke. „Ihre Tochter hat Taylor mal so genannt, als sie noch hier bedient hat und er sie wochenlang wegen irgendwelcher Papiere oder Zeugnissen genervt hat. Ich fand den Ausdruck passend“. Er grinste mich an. „Sie nicht auch?“
Ich nickte zustimmend und hörte im Geiste die Warnung meiner Frau: „Hüte dich vor dem Teufel, in welcher Verkleidung er auch immer vor dir steht“. Sie hatte, wie eigentlich immer, Recht gehabt.