Everything relative

Time is rela­ti­ve. Albert Ein­stein came to this con­clu­si­on more than a hundred years ago.

And just how right he was was demons­tra­ted once again at today’s town mee­ting in Miss Pattie’s dancing school: Tay­lor was in top form and let a veri­ta­ble thun­der­storm of incom­pre­hen­si­ble regu­la­ti­ons, pro­ce­du­ral ins­truc­tions and para­graphs rain down on us hel­p­less par­ti­ci­pan­ts. Seconds and minu­tes stret­ched into infinity.

What it was all about ori­gi­nal­ly, I and pro­ba­b­ly all the others pre­sent had alre­a­dy com­ple­te­ly for­got­ten at this point. Not so Tay­lor: he bab­b­led, gesti­cu­la­ted, waved papers and docu­ments, occa­sio­nal­ly poin­ted at non-exis­tent flip­charts and from time to time tur­ned so red that I was about to jump up and use the Heim­lich on him.

I let my eyes wan­der. Miss Pat­ty, who pre­si­ded over the mee­ting, sat slum­ped power­less­ly in her chair next to Taylor’s cathe­ter, hol­ding her hands clas­ped in her lap.

In the row in front of me, Babet­te and Morey appeared to be nap­ping head to head. Gypsy and Andrew sat with their arms fold­ed in front of their chests, scow­ling into space.

Dean was typ­ing away on his smart­phone, Sophie was rea­ding a music maga­zi­ne, and Zach, who was here today wit­hout Lane, was alter­na­te­ly picking his left ear and his right ear, and still would have thought all this was ‚cool‘ if someone had asked him.

Kirk and Lulu were making out and that was pro­ba­b­ly the best that could be made of this situa­ti­on. And whe­re were Lore­lei and Luke any­way? Tho­se two real­ly had a knack for avo­i­ding the most bor­ing and ten­acious gathe­rings here in the litt­le town.

I glan­ced at my watch. By the feel of it, it was long past mid­night, but no, the hands were at 9:15 pm and Tay­lor was chat­te­ring and chat­te­ring and chattering.

Sud­den­ly, someone from out­side pushed open the front door. In the ope­ning appeared Rory and her half-sis­ter April Nar­di­ni. „Sor­ry, too late!“ shou­ted April into the hall. „What did we miss?“

For a few seconds, the­re was com­ple­te silence in the dance school. All eyes were fixed on the two new­co­mers. Taylor’s words were appar­ent­ly stuck in his throat; the others, most of whom must have even fal­len asleep, had to gather them­sel­ves and deter­mi­ne whe­re they actual­ly were.

Miss Pat­ty, howe­ver, was the most frigh­ten­ed. As if struck by light­ning, she shot up, grab­bed the small woo­den ses­sio­nal gavel, and used it to tap Taylor’s cathe­ter seve­ral times. „We’­re voting now!“ she shou­ted ham­me­ring into the hall.

Gre­at, we’­re all against it!“ rang out Gypsy’s voice. A many-voi­ced „Right!“ and „She’s right!“ rang through the room. As if on cue, ever­yo­ne got up and hur­ried­ly left Miss Pattie’s dance school. Zach nod­ded a mum­bled ‚cool‘ good­bye to me. April and Rory shrug­ged their should­ers and dis­ap­peared out­side as well.

Final­ly, only Tay­lor and I were left. He had wat­ched from the stage as the con­ven­tio­neers strea­med out, moti­on­less and open-mou­thed. After regai­ning his com­po­sure, he tur­ned to me: „Mr. Kim, I know you to be a respon­si­ble and abo­ve all honest citi­zen who would never fob me off with a lie. Plea­se tell me just one thing:

My heart began to pound. What could it be that Tay­lor wan­ted to know from me now? He con­tin­ued after a small pau­se, „What exact­ly did I say that would make ever­yo­ne here run?“

I brea­thed a sigh of reli­ef. If time was rela­ti­ve, so was hones­ty. I would pass this test with distinc­tion, „Exact­ly? Honest­ly, I have no idea, Taylor!“

With tho­se words, I too wal­ked out into the warm Stars Hol­low spring evening. Time had resu­med its nor­mal pace and so after only five minu­tes I was stan­ding out­side the front door to Kim’s Antiques.

As I ente­red, Mrs. Kim was ratt­ling dis­hes around in the kit­chen. „Hi honey!“ she cal­led across the store in gree­ting, „that was rela­tively quick with the gathe­ring today.“

Rela­tively? You said it!“, I retor­ted and clo­sed the door.

Spitzkohl, Radieschen und Waffeln oder: Wie der Indian Summer nach Stars Hollow zurückkehrte

Es hät­te so schön sein kön­nen. Ende Sep­tem­ber in Stars Hol­low. Der Indi­an Sum­mer zeigt sich von sei­ner schöns­ten Sei­te. Blau­er Him­mel, ein far­ben­fro­hes Blät­ter­meer wie aus dem Bil­der­buch und der Bar­de singt selbst­ver­ges­sen „Autumn Lea­ves“. Durch die Haupt­stra­ße schlän­gelt sich von irgend­wo­her der Duft frisch geba­cke­ner Waf­feln mit Map­le­si­rup und selbst Tay­lor genießt die­ses Idyll mit glän­zen­den Augen und vor allem schwei­gend. Aber nein – es war kalt, es war grau und es reg­ne­te. Kübelweise!

Die Schei­ben von Luke’s Diner waren von innen beschla­gen. Bei ihrem Anblick, der mich auf eine feucht­war­me Mischung aus Essens- und Men­schen­ge­rü­chen im Diner schlie­ßen ließ, ver­zich­te­te ich dar­auf, mir dort eine Malz­milch zu gön­nen und dreh­te ab in Rich­tung Doose’s Mar­ket, um fri­sches Gemü­se für das Mit­tag­essen zu kau­fen. Die Malz­milch wür­de war­ten müs­sen. Die Stim­mung bei Doose’s war genau­so trüb und grau wie soeben auf der Stra­ße. Babet­te, Miss Pat­ty und Lind­say Fores­ter füll­ten den Laden mit ihrer Prä­senz und ihren Stim­men und beklag­ten sich laut­stark und wort­reich bei Kirk, dass es die­ser Regen unmög­lich machen wür­de, Tay­lors Vor­ga­ben zur neu­en Fas­sa­den­ge­stal­tungs­ver­ord­nung ein­zu­hal­ten. Ich erin­ner­te mich, dass ich irgend­wo ein ent­spre­chen­des Flug­blatt zu die­sem The­ma gese­hen hat­te und über­flog das Gemü­se­an­ge­bot. Abge­se­hen von einem Spitz­kohl und einer Hand­voll Radies­chen war der Gemü­se­stand gäh­nend leer. Anschei­nend hat­te Jack­son heu­te mor­gen mal wie­der „Glatt­eis im Gar­ten“ gehabt – so nann­te er es jeden­falls, wenn er aus wel­chen Grün­den auch immer, den Nach­schub an fri­scher Ware aus sei­nem Gar­ten nicht sicher­stel­len konn­te. Somit stand nun also Kohl­pfan­ne mit Radies­chen­sa­lat auf der heu­ti­gen Spei­se­kar­te von Mrs Kim und mir. Lecker!

Auf dem Rück­weg zum Anti­qui­tä­ten­la­den lief ich April Nar­di­ni über den Weg. Von wei­tem sah ich zunächst nur einen rie­si­gen, gel­ben Schirm der lang­sam näher kam. Aus der Nähe fiel mir auf, dass sie unter dem Schirm bar­fuß war und ansons­ten auch nur Shorts und T‑Shirt trug. Dazu ihren übli­chen aus­ge­beul­ten neon­gel­ben Ruck­sack, der genau­so ton­nen­schwer zu sein schien, wie Rory Gilm­o­res Pendant.

Hal­lo April“ grüß­te ich sie verwundert.

Hal­lo Mr Kim“, ent­geg­ne­te sie atem­los. „Ich bin zu spät, ich muss in die Schu­le. Wir machen einen Sonnentanz“.

Son­nen­tanz? Ist das nicht eine Zere­mo­nie der Natives?“

Nein!“, ant­wor­te­te sie und war schon zehn Meter wei­ter. „Die­sen hab ich erfunden!“

Ich blick­te ihr nach, wie sie has­tig mit ihren blo­ßen Füßen durch die Pfüt­zen der Main Street platsch­te. Plötz­lich dreh­te sie sich noch­mals um und rief mir lachend zu: „Las­sen sie sich überraschen!“

Zu Hau­se leg­te ich den Spitz­kohl und die Radies­chen in die Küche. Mei­ne Frau war nir­gends zu sehen. Wahr­schein­lich war sie irgend­wo in den Untie­fen des Ladens zu Gan­ge und arran­gier­te die „neu ein­ge­trof­fen“ und die „redu­ziert“ Schil­der an den Anti­qui­tä­ten nach einem nur ihr bekann­ten gehei­men Sys­tem neu an. Ihr Wal­ten hat­te jeden­falls dazu geführt, dass die seit Mona­ten unter ver­schie­de­nen gemisch­ten Stüh­len begra­be­ne Chai­se Longue in der Ladenecke nun kom­plett frei­ge­räumt war und mir ver­füh­re­risch zublin­zel­te. Ich ließ mich nicht zwei Mal bitten …

… und hat­te einen wil­den Traum von zwei Leu­ten namens Amy und Dan, die hit­zig dar­über debat­tier­ten, ob der Regen zur Sto­ry­line pas­sen wür­de, wie es sich auf die Quo­ten aus­wir­ken wür­de und ob es unter einer Schnee­ku­gel über­haupt reg­nen kön­ne und so fort. Unsinn halt …

… und erwach­te vom Duft der Kohl­sup­pe, der sich mitt­ler­wei­le im Laden breit­ge­macht hat­te. Mrs Kim war wäh­rend mei­nes Schläf­chens anschei­nend wie­der auf­ge­taucht und hat­te sich an die Zube­rei­tung des Mit­tag­essens gemacht. Ich stand gäh­nend auf, reck­te mich kurz und ging in die Küche. Sie war nicht da. Die Sup­pe blub­ber­te auf dem Herd und auf dem Küchen­tisch lag eine auf­ge­schla­ge­ne Bibel und dane­ben ein hand­ge­schrie­be­ner Zet­tel. Dar­auf stand: „Gott! Es reicht jetzt mit dem Regen! Son­ne! Sofort!“

Hat­te ich da rich­tig gele­sen? Plötz­lich schoss ein Son­nen­strahl durchs Fens­ter, so hell und leuch­tend, wie ich es vor­her noch nie erlebt hat­te. Ich schloss geblen­det die Augen. Licht­fle­cken tanz­ten hin­ter mei­nen geschlos­se­nen Lidern auf und ab und ich muss­te mich erst­mal auf den Stuhl set­zen, den ich mir zum Glück schnell hat­te ertas­ten konn­te. Als ich die Augen wie­der öff­ne­te, war der Küchen­tisch leer. Mrs Kim stand am Herd und dreh­te sich zu mir um.

Hal­lo Schatz, bist Du wie­der wach? Dan­ke für schö­nen Spitz­kohl. Das wird eine gute Suppe“.

Ich schau­te aus dem Fens­ter. Vom tief­blau­en Him­mel schien die Son­ne, das Laub der Bäu­me schim­mer­te umwer­fend röt­lich und ein leich­ter Wind trug die Klän­ge von „Autumn Lea­ves“ in unse­re Küche. Wer oder was nun für die­sen Wet­ter­um­schwung ver­ant­wort­lich war, ich beschloss kei­ne Fra­gen zu stel­len und die­se Lau­ne der Natur ein­fach zu genießen.

Ich hät­te Lust auf Waf­feln mit Sirup zum Nach­tisch“ sag­te ich.

Eine herrliche Nacht, nicht wahr?

Irgend­et­was hat­te mich geweckt. Ich dreh­te mich lei­se brum­melnd auf den Rücken, ver­schränk­te mei­ne Hän­de im Nacken und lausch­te mit geschlos­se­nen Augen, ob die Stö­rung erneut auf­tre­ten wür­de. Was war es bloß gewe­sen? Neben mir im Bett hör­te ich die tie­fen und gleich­mä­ßi­gen Atem­zü­ge mei­ner Frau, ansons­ten war die Nacht toten­still. Der Mond schien so hell, dass die Äste des Bau­mes vor dem Schlaf­zim­mer­fens­ter Schat­ten­bil­der an die Wand warfen.

Da war es wie­der. Lei­se Schrit­te auf der Stra­ße und gedämpf­tes Gemur­mel. Ich schlug die Bett­de­cke zur Sei­te, trat ans Fens­ter und schau­te auf die stil­le Stra­ße hin­aus. Nichts! Obwohl mei­ne Füße bereits kalt wur­den, beschloss ich, so lan­ge am Fens­ter ste­hen­zu­blei­ben, bis ich wuss­te, was dort drau­ßen vor sich ging.

Leg dich wie­der hin“, ertön­te die Stim­me mei­ner Frau. „Das sind nur Lore­lei und ihre Tochter“.

Äh, wer bit­te?“ ent­geg­ne­te ich.

Die Gilm­o­res“ ent­geg­ne­te Mrs. Kim. „Aus der Map­le. Neben dem Haus mit den gan­zen Gar­ten­zwer­gen. Lanes bes­te Freundin“.

Ah!“, erin­ner­te ich mich. „Die kaf­fee­beses­se­ne Freun­din von Luke“.

Genau die!“ bestä­tig­te mir mei­ne Frau. „Manch­mal fra­ge ich mich wirk­lich, ob du hier in Stars Hol­low außer Luke und Kirk über­haupt jeman­den kennst“.

Ich ließ die letz­te Bemer­kung von Mrs. Kim auf sich beru­hen. Klar, ich war lan­ge kein so bun­ter Hund in Stars Hol­low wie Miss Pat­ty oder der Trou­ba­dour, aber ver­gli­chen mit Kirks Mut­ter, die selbst Tay­lor für eine Bewoh­ne­rin unse­res Nach­bar­dor­fes Wood­bridge hielt, über­stieg mein Bekannt­heits­grad locker die Kör­per­grö­ße von Morey, egal ob mit oder ohne Hut.

Was machen die bei­den da drau­ßen mit­ten in der Nacht?“ frag­te ich.

Sie war­ten auf den ers­ten Schnee“, ent­geg­ne­te mei­ne Frau ver­schla­fen. „Du weißt doch, dass die­se Ver­rück­te glaubt, den Schnee rie­chen zu können“.

Hmm“ ent­geg­ne­te ich und blick­te zwei­felnd nach oben in den wol­ken­lo­sen, mond­hel­len Ster­nen­him­mel. Dann öff­ne­te ich das Fens­ter einen klei­nen Spalt weit und zog die kal­te Nacht­luft tief ein.

Wie riecht Schnee eigent­lich?“ frag­te ich, doch ich bekam kei­ne Ant­wort. Mrs. Kim schlief anschei­nend wie­der den Schlaf der Gerech­ten und dies durf­te man bei ihr getrost wört­lich nehmen.

Ich nahm noch zwei, drei tie­fe Atem­zü­ge bevor ich das Fens­ter wie­der schloss. Dann schlüpf­te ich in mei­ne Haus­schu­he und ging hin­un­ter durch den Laden in die Küche, um mir einen Tee zu machen. Noch wäh­rend er zog, hör­te ich wie­der Stim­men von drau­ßen. Dies­mal klan­gen sie etwas lau­ter und aufgekratzter.

Mit der Tas­se in der Hand öff­ne­te ich die Laden­tür und trat einen Schritt hin­aus. Der Ster­nen­him­mel und der Mond waren ver­schwun­den. Dafür wir­bel­ten nun Schnee­flo­cken durch die Nacht und über­pu­der­ten die Welt mit einer glit­zern­den wei­ßen Schicht.

Hal­lo Lore­lei, hal­lo Rory“ grüß­te ich, als die bei­den inein­an­der­ge­hakt an unse­rem Gar­ten vor­bei liefen.

Hal­lo Mr. Kim“ wink­ten sie zurück. Eine herr­li­che Nacht, nicht wahr?“

Ich sah den bei­den lächelnd hin­ter­her, als sie wie­der im Dun­kel ver­schwan­den und ließ noch eini­ge Minu­ten lang Schnee­flo­cken in mei­ne Tas­se rie­seln. Ich moch­te zwar kei­ne Ahnung haben, wonach Schnee roch, aber er schmeck­te defi­ni­tiv nach Vanil­le und Honig.

Ein teuflischer Nachmittag

Lukes Gesichts­aus­druck blieb über­ra­schend neu­tral, als er die bestell­ten Chi­li-Fri­tes vor mir auf den Tisch stellte.

Nor­ma­ler­wei­se beka­men alle Stamm­kun­den, zu denen ich mich mitt­ler­wei­le auch zähl­te, kur­ze, sar­kas­ti­sche, aber durch­aus gut gemein­te Beleh­run­gen über Kalo­rien­an­zahl und feh­len­den Nähr­wert der soeben ser­vier­ten Gerich­te, qua­si als kos­ten­lo­se Bei­la­ge, oben­drauf. Dies­mal aber brum­mel­te Luke sogar etwas vor sich hin, was glatt als „Guten Appe­tit“ durch­ge­hen konn­te, wand­te sich ab und nahm wie­der sei­nen gewohn­ten Platz hin­ter dem Tre­sen ein.

Einen Tisch wei­ter nahm Babet­te die­sen uner­hör­ten Vor­gang genau­so stau­nend wie ich zur Kennt­nis, nur dass dabei ihr Mund offe­ner stand, als die Tür zu Al‘s Pan­ca­ke World am Eat-To-The-Beat-Abend.

Luke, Schätz­chen“, zer­schnitt ihre Reib­ei­sen­stim­me die Stil­le im Raum, „ist mit Dir und Lore­lei alles in Ord­nung? Oder fühlst Du dich irgend­wie nicht wohl?“

Alles in Ord­nung, Babet­te!“ erwi­der­te Luke und rück­te ein paar Kaf­fee­tas­sen hin und her.

Babet­te zog die Augen­brau­en hoch und warf mir einen viel­sa­gen­den Blick zu. Ich zuck­te mit den Schul­tern und begann zu essen. Die „fet­ti­gen Fin­ger des Teu­fels“, wie sie mei­ne Frau zu nen­nen pfleg­te, schmeck­ten wie immer hervorragend.

Wäh­rend ich noch über­leg­te, ob ich eine zwei­te Tas­se Kaf­fee ris­kie­ren oder lie­ber mei­nem Magen eine Malz­milch gön­nen soll­te, fiel mein Blick auf die Stra­ße. Dort rede­te Tay­lor auf­ge­regt auf Kirk ein und ges­ti­ku­lier­te wild mit sei­nen Armen. Kirk ließ Tay­lors Rede­schwall augen­schein­lich sto­isch an sich abpral­len und schüt­tel­te ledig­lich dann und wann den Kopf. Durch die Glas­schei­be konn­te ich nicht hören, wor­um es bei den bei­den ging, aber es war offen­sicht­lich, dass hier der Grund für Lukes gute Lau­ne zu suchen war.

Da Babet­te mit dem Gesicht zum Tre­sen saß und sie außer­dem in ihr Strick­zeug ver­tieft war, war ihr der auf­ge­reg­te Dis­put vor dem Café ent­gan­gen. Als Luke aber plötz­lich begann, lei­se vor sich hin zu lachen, schreck­te sie auf:

Jes­sas Gott, Luke!“, schrie Babet­te. „Nun rück schon damit raus. Ist es was Ernstes?“

Gold­mün­zen“, ant­wor­te­te Luke und sein Lachen zuck­te wie klei­ne elek­tri­sche Stö­ße durch sei­nen Kör­per. Er wies mit dem Kinn auf Kirk, der noch immer mit ver­schränk­ten Armen auf der Stra­ße vor Tay­lor stand. „Tay­lor hat Kirk mit einer Wün­schel­ru­te zum Gold­su­chen geschickt, um ihn mal aus den Füßen zu haben. Irgend­je­mand hat Kirk aber gesteckt, dass man mit Wün­schel­ru­ten höchs­tens Was­ser fin­den kann. Nun ist Kirk sau­er auf Tay­lor und belegt ihn mit mehr Beschlag als je zuvor. Und das hält Tay­lor davon ab, sei­ne Nase in mei­ne Ange­le­gen­hei­ten zu stecken“.

Herr­je, du kannst ja rich­tig reden, wenn Du willst“ ‚kom­men­tier­te Babet­te Lukes Erklä­run­gen. „Und ich dach­te schon, mein Morey wäre ein­fach gestrickt“, been­de­te Sie ihre Über­le­gun­gen. Ihre Nadeln began­nen wie­der zu klicken.

In auf­ge­räum­ter Stim­mung beob­ach­te­te Luke wei­ter­hin das Gesche­hen auf der Stra­ße. Dann wand­te er sich plötz­lich an mich:

Darf es noch eine Malz­milch sein? Aufs Haus natürlich“.

Gerne“,erwiderte ich. „Wie kom­me ich zu die­ser Ehre?“

Luke grins­te uner­gründ­lich und ser­vier­te das Getränk. „Sagen wir mal so: die fet­ti­gen Hän­de des Teu­fels müs­sen dann und wann mal geschmiert wer­den, damit sie nicht so fest zupacken“.

Ich blick­te auf mei­nen fast lee­ren Tel­ler. „Sie meinen?“

Er redet von Tay­lor, Schätz­chen“, misch­te sich Babet­te ein. „Tay­lor ist sein Teu­fel und du hast ihn geret­tet. Herr­je, das kapie­re selbst ich!“

Ich blick­te zu Luke, der abwie­gel­te: „Kei­ne gro­ße Sache. Pat­ty hat mir gesteckt, dass sie es waren, der Kirk vom Gold­su­chen abge­bracht hat“. Er begann den Tre­sen zu wischen.

Und die fet­ti­gen Hän­de des Teu­fels?“ frag­te ich.

Lane!“ ant­wor­te­te Luke. „Ihre Toch­ter hat Tay­lor mal so genannt, als sie noch hier bedient hat und er sie wochen­lang wegen irgend­wel­cher Papie­re oder Zeug­nis­sen genervt hat. Ich fand den Aus­druck pas­send“. Er grins­te mich an. „Sie nicht auch?“

Ich nick­te zustim­mend und hör­te im Geis­te die War­nung mei­ner Frau: „Hüte dich vor dem Teu­fel, in wel­cher Ver­klei­dung er auch immer vor dir steht“. Sie hat­te, wie eigent­lich immer, Recht gehabt.

Jenseits von Eden

Miss Pat­ty stand wie üblich rau­chend in der Tür Ihrer Bal­lett­schu­le. Im Inne­ren der Schu­le übten eini­ge Tän­zer und obwohl Miss Pat­ty ihre Bli­cke nicht von der Stra­ße ließ, schien sie doch genau zu wis­sen, was sich hin­ter ihrem Rücken abspielte:

Rebec­ca, bit­te mit etwas mehr Schwung und schau nicht so gelang­weilt, als ob du Nackt­schne­cken zäh­len müsstest“.

Ich hob grü­ßend mei­ne Hand als Miss Pat­ty in mei­ne Rich­tung schaute.

Mmh, was haben wir den da Schnu­cke­li­ges?“ frag­te sie.
„Oh“, ent­geg­ne­te ich, „das ist doch nur ein neu­er Pull­over, den mir Mrs. Kim aus der Gemein­de­samm­lung mit­ge­bracht hat“.

Dann bemerk­te ich, dass ihr Blick haar­scharf an mir vor­bei ging und sie irgend­et­was hin­ter mir fixier­te. Ich dreh­te den Kopf und sah Kirk mit aus­ge­streck­ten Armen und einer Wün­schel­ru­te in den Hän­den vor­bei­ge­hen. Kirk? Doch dann erblick­te ich Miss Pat­tys wirk­li­ches Objekt der Begier­de: ein jun­ger Mann, Mit­te 20, in Leder­ja­cke und Jeans, der mich unwill­kür­lich an James Dean erin­ner­te. Er rede­te mit Shane, die in dem klei­nen Kos­me­tik­läd­chen arbei­te­te und durch­such­te wäh­rend­des­sen die Taschen sei­ner Jacke, ver­mut­lich nach Ziga­ret­ten. Ich hat­te ihn noch nie in Stars Hol­low gesehen.

Scheint ein Bekann­ter von Shane zu sein“, wand­te ich mich wie­der an Miss Pat­ty, doch sie hat­te augen­schein­lich das Inter­es­se an dem frem­den jun­gen Mann ver­lo­ren und sich seit­wärts gedreht.
„Gott, was gäbe ich dafür, noch­mal 20 zu sein!“, mur­mel­te sie in Gedanken.

Da sie anschei­nend kei­ne Ant­wort erwar­te­te, ging ich wei­ter. Nach ein paar Schrit­ten stieß ich wie­der auf Kirk.

Na, ist die Was­ser­su­che erfolg­reich?“ frag­te ich ihn.
Er sah mich ver­ständ­nis­los an: „Was­ser?“.
„Na, wegen der Wün­schel­ru­te. Damit kann man Was­ser­adern finden“.
„Ich ver­ste­he!“ Sei­ne Augen fixier­ten mich. „Sind sie ganz sicher?“ woll­te er wissen.
„Ja“ ent­geg­ne­te ich knapp.
„Shane hat einen neu­en Freund“, teil­te er mir über­gangs­los mit. „Er kommt aus Hart­ford und sieht aus wie James Dean“, fuhr er fort.
„Das ist mir auch auf­ge­fal­len“, nahm ich den Faden auf. „Die bei­den ste­hen übri­gens gleich da hin­ten“. Ich deu­te­te über mei­ne Schulter.
Doch Kirk hör­te mir nicht mehr zu. „Was­ser“ brab­bel­te er lei­se vor sich hin, dreh­te sich um und ging. Anschei­nend hat­te heu­te nie­mand Lust auf eine län­ge­re Unter­hal­tung mit mir.

Als ich zu Hau­se ankam, war mei­ne Frau gera­de im Gar­ten mit Blu­men­gie­ßen beschäftigt.

Na, wo warst Du?“, woll­te Mrs. Kim wissen.
„Jen­seits von Eden“ ant­wor­te­te ich.
Sie schau­te mich mit hoch­ge­zo­ge­nen Brau­en an: „Wel­ches der drei Getrei­de­bäll­chen, die Du heu­te Mit­tag geges­sen hast, ist dir nicht bekom­men?“, woll­te sie wissen.
„Shane hat einen neu­en Freund“, ver­such­te ich zu erklären.
„Ah, der jun­ge James-Dean-Typ!“ nick­te sie wis­send, wäh­rend in ihren Augen plötz­lich der klei­ne Schelm auf­blitz­te, den ich viel zu sel­ten sehen durf­te. „Was gäbe ich dafür, noch­mal 20 sein“, sag­te sie lächelnd.