Irgendetwas hatte mich geweckt. Ich drehte mich leise brummelnd auf den Rücken, verschränkte meine Hände im Nacken und lauschte mit geschlossenen Augen, ob die Störung erneut auftreten würde. Was war es bloß gewesen? Neben mir im Bett hörte ich die tiefen und gleichmäßigen Atemzüge meiner Frau, ansonsten war die Nacht totenstill. Der Mond schien so hell, dass die Äste des Baumes vor dem Schlafzimmerfenster Schattenbilder an die Wand warfen.
Da war es wieder. Leise Schritte auf der Straße und gedämpftes Gemurmel. Ich schlug die Bettdecke zur Seite, trat ans Fenster und schaute auf die stille Straße hinaus. Nichts! Obwohl meine Füße bereits kalt wurden, beschloss ich, so lange am Fenster stehenzubleiben, bis ich wusste, was dort draußen vor sich ging.
„Leg dich wieder hin“, ertönte die Stimme meiner Frau. „Das sind nur Lorelei und ihre Tochter“.
„Äh, wer bitte?“ entgegnete ich.
„Die Gilmores“ entgegnete Mrs. Kim. „Aus der Maple. Neben dem Haus mit den ganzen Gartenzwergen. Lanes beste Freundin“.
„Ah!“, erinnerte ich mich. „Die kaffeebesessene Freundin von Luke“.
„Genau die!“ bestätigte mir meine Frau. „Manchmal frage ich mich wirklich, ob du hier in Stars Hollow außer Luke und Kirk überhaupt jemanden kennst“.
Ich ließ die letzte Bemerkung von Mrs. Kim auf sich beruhen. Klar, ich war lange kein so bunter Hund in Stars Hollow wie Miss Patty oder der Troubadour, aber verglichen mit Kirks Mutter, die selbst Taylor für eine Bewohnerin unseres Nachbardorfes Woodbridge hielt, überstieg mein Bekanntheitsgrad locker die Körpergröße von Morey, egal ob mit oder ohne Hut.
„Was machen die beiden da draußen mitten in der Nacht?“ fragte ich.
„Sie warten auf den ersten Schnee“, entgegnete meine Frau verschlafen. „Du weißt doch, dass diese Verrückte glaubt, den Schnee riechen zu können“.
„Hmm“ entgegnete ich und blickte zweifelnd nach oben in den wolkenlosen, mondhellen Sternenhimmel. Dann öffnete ich das Fenster einen kleinen Spalt weit und zog die kalte Nachtluft tief ein.
„Wie riecht Schnee eigentlich?“ fragte ich, doch ich bekam keine Antwort. Mrs. Kim schlief anscheinend wieder den Schlaf der Gerechten und dies durfte man bei ihr getrost wörtlich nehmen.
Ich nahm noch zwei, drei tiefe Atemzüge bevor ich das Fenster wieder schloss. Dann schlüpfte ich in meine Hausschuhe und ging hinunter durch den Laden in die Küche, um mir einen Tee zu machen. Noch während er zog, hörte ich wieder Stimmen von draußen. Diesmal klangen sie etwas lauter und aufgekratzter.
Mit der Tasse in der Hand öffnete ich die Ladentür und trat einen Schritt hinaus. Der Sternenhimmel und der Mond waren verschwunden. Dafür wirbelten nun Schneeflocken durch die Nacht und überpuderten die Welt mit einer glitzernden weißen Schicht.
„Hallo Lorelei, hallo Rory“ grüßte ich, als die beiden ineinandergehakt an unserem Garten vorbei liefen.
„Hallo Mr. Kim“ winkten sie zurück. Eine herrliche Nacht, nicht wahr?“
Ich sah den beiden lächelnd hinterher, als sie wieder im Dunkel verschwanden und ließ noch einige Minuten lang Schneeflocken in meine Tasse rieseln. Ich mochte zwar keine Ahnung haben, wonach Schnee roch, aber er schmeckte definitiv nach Vanille und Honig.